Heilig Abend Predigt in Neppendorf

Heilig Abend, 24. Dezember 2019
Froh und still – Predigt über Sacharja 2, 14-17 von Vikarin Angelika Beer
im Gemeindeverband Neppendorf (Reußdörfchen und Törnen)

Liebe Festgemeinde,

manche Kinder lernen zu schreiben nach dem Hören. Sie sollen ein Wort, einen Satz so aufschreiben, wie sie ihn hören. Sie hören „freut euch“ und schreiben:
f – r – o – i – t o – i – c – h,
mit zwei „O“s und zwei „I“s. Weil sie es so hören. Und wir hören und singen heute am Heiligen Abend „freue, freue dich, o Christenheit“.
„Freue, freue dich, o Christenheit“ – drei „O“s sogar sind da zu hören. Und noch mehr „O“s gibt es im Predigttext, wie er geschrieben steht im Buch des Propheten Sacharja, im zweiten Kapitel:
Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr. Und es sollen zu der Zeit viele Völker sich zum Herrn wenden und sollen mein Volk sein, und ich will bei dir wohnen. – Und du sollst erkennen, dass mich der Herr Zebaoth zu dir gesandt hat. – Und der Herr wird Juda in Besitz nehmen als sein Erbteil in dem heiligen Lande und wird Jerusalem wieder erwählen. Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!
Gott kommt. Gott will bei dir wohnen. Freue dich und sei fröhlich. So viele „O“s, so viel Staunen: Gott kommt, Gott will wohnen, Freude.
Das O, auch das bei „Froide“, macht mich offen, beim Singen von „O du fröhliche“ vorhin, das O macht mich offen im Hermannstädter Bachchor mit „O du, die Wonne“, dem Chor Nr. 9 in Händels „Messias“, den wir im Weihnachtskonzert gesungen haben. Und das O macht meine Stimme offen in der Stimmbildung mit dem Gedicht „Ottos Mops“, das nur „O“s als Vokale enthält.
Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Alte Worte, die wir heute hören. Sacharja, der Prophet vor zweieinhalb Tausend Jahren sieht und staunt und schreibt: Gott kommt. Er hat sich aufgemacht, er ist unterwegs. Unterwegs zu seinem Volk, zum Zion, nach Jerusalem. Gott ist mobil, in Bewegung und in Begegnung. Er steht nicht starr und still, ist nicht vereist.
Gott kommt, der Herr der Heerscharen, Zebaoth macht sich auf den Weg. Nicht mit einem Heer wie beim Militär, nicht mit einem Panzer, nicht mit Kriegsgerät. Die Herrlichkeit des Herrn kommt anders. Auch das hört Sacharja, der Prophet und schreibt es auf: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4, 6b)
Der Herr aller Mächte und Gewalten kommt und will nicht herrschen, sondern wohnen. Sein Zelt aufschlagen mitten unter uns. Ich will bei dir wohnen, hört Sacharja, der Prophet. Ich will bei dir wohnen höre ich. Da lädt sich jemand in mein Leben ein, nicht nur als Besuch, nicht als Gast auf einen Kaffee oder Tee, der bald wieder geht, sondern so richtig zum Mitwohnen. Dahin, wo das Bett nicht immer gemacht ist, wo Kleider über dem Stuhl geworfen sind und sich am Boden die Bücher stapeln, die noch zu lesen sind. Ich will bei dir wohnen. Bei deinem Aufstehen sein, wenn du aus dem Haus gehst, im Haus bleibst, wenn du kochst und putzt und isst, wenn du arbeitest, wenn du schläfst und wenn du keinen Schlaf finden kannst in der Nacht, wenn du lachst und wenn du weinst. Ich will bei dir wohnen.
„Gott will im Dunkel wohnen“ hat Jochen Klepper im Dezember vor 82 Jahren gedichtet. Es ist die letzte Strophe seines Liedes „Die Nacht ist vorgedrungen“ (EG 14), 1937 geschrieben, als danach noch manche Nacht gefallen ist. Gott will auch im Dunkel wohnen. In deinem Dunkel. In meinem Dunkel. Der Herr der Heerscharen kommt. Nicht mit Karacho, nicht mit Machtgehabe, nicht mit einem großen Scheinwerferlicht. Der Herr der Heerscharen, die Herrlichkeit des Herrn kommt zart, schutzlos und fein. Als Kind in einer Krippe.
Auf dem Feld hören die Hirten: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. (Lukas 2, 10) Dieses Kind ist Liebe und Licht und leicht. Es leuchtet uns heute an, wärmt uns, wohnt bei uns und lässt uns leuchten, vor Freude, von innen und macht uns weit. Denn nur verordnete Freude ist keine Freude. Singt und lest vom Staunen und vom „O“, geht zum Kind, geht zur Krippe, lasst euch mit hineinnehmen in das Wunder von Weihnachten. Fürchtet euch nicht! Zu glauben, das macht offen. Und: Das macht still.
Wer schon einmal ein Neugeborenes im Arm gehalten hat, weiß, wie ruhig man da wird, wie vorsichtig man sich mit dem Kind bewegt, wie deutlich einem wird, wie unendlich viel wert dieses kleine Leben ist.
Still, alle Welt, vor Gott, schreibt Sacharja, der Prophet. Still, alle Welt. Die Herrlichkeit des Herrn zeigt sich. „Stille Nacht, heilige Nacht“ werden wir gleich singen und kommen vom O am Anfang, von der Freude, vom Staunen, vom Offenwerden zur innigen Ruhe. Spüren den Frieden, den der Friedefürst bringt. Still, alle Welt. Gott kommt.
Amen.
hier die Predigt zum ausdrucken

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